Urlaubszeit, Reisezeit
Wie jedes Jahr um diese Zeit packen die Deutschen ihre sieben Sachen und machen sich für ein oder zwei Wochen auf den Weg in den Sommerurlaub. Die Grenzregion zwischen Frankreich und Spanien ist auf der Hitliste der beliebtesten Urlaubsziele zwar sicher nicht auf Platz eins, aber wer hier vorbeikommt, sollte einen kurzen Aufenthalt im dortigen Grenzbahnhof Canfranc einplanen – einem großen europäischen Projekt, das niemals die angedachte Bedeutung erlangte.
In Canfranc, einem kleinen spanischen Ort südlich des Pyrenäenhauptkamms, traf die Strecke aus Saragossa auf die aus Pau kommende französische Strecke. In den Jahren der Erbauung wurde in dem kleinen und beschaulichen Bergdorf das damals zweitgrößte Bahnhofsgebäude Europas und sogar das größte Spaniens errichtet. Zur Eröffnung reisten sogar der spanische König sowie der französische Staatspräsident an. All dies zeigt, welche Hoffnungen in das Projekt gesetzt wurden. Doch der Verkehr blieb weit hinter den Erwartungen zurück: Der Betrieb auf den Bergstrecken war aufwändig; die Weltwirtschaftskrise sorgte für einen starken Rückgang im Güterverkehr und während des spanischen Bürgerkrieges wurde gar der Grenztunnel auf der spanischen Seite zugemauert. Während des Zweiten Weltkrieges erfuhr der Bahnhof eine gewisse Blütezeit, als kriegswichtige Rohstoffe über die Bahnlinie rollten. Als ab 1944 französische Widerstandskämpfer die Bahnanlagen immer wieder angriffen, um so die militärische Nutzung zu verhindern, besann man sich auf spanischer Seiten abermals auf das, was erst wenige Jahre zuvor rückgängig gemacht wurde und mauerte den Tunneleingang erneut zu.
Nach dem Zweiten Weltkrieg liefen keine internationalen Züge mehr über Canfranc. Die spanische und die französische Staatsbahn bediente den Bahnhof nur noch im Regionalverkehr, lediglich einige Güterzüge verkehrten noch auf beiden Seiten. Einer dieser Züge führte dann im Jahre 1970 zur dauerhaften Einstellung auf der französischen Seite: durch einen Defekt an der Bremse rollte ein mit Mais beladener Güterzug unkontrolliert die Strecke hinab und brachte dabei eine Brücke zum Einsturz. Seither ruht der Verkehr auf französischer Seite [1, 2 und 3].
Der Bahnhof Canfranc reizt nicht nur Eisenbahnfreunde, sondern auch Architekturinteressierte und Fotografen. Die beiden Berufsfotografen Stefan Gregor und Matthias Maas initiierten ab 1996 ein freies Fotoprojekt, welches die Veränderungen am Bahnhof dokumentiert [4]. Auch in die Fachpresse schaffte es der Bahnhof bereits. So widmete die Baunetzwoche dem Bahnhof eine komplette Ausgabe und auch das zur Baunetz Media gehörende uncube Magazine berichtet im Heft No 7 über die Grenzstation [5 und 6]. Erwähnenswert ist auch eine Diplomarbeit der Universität Bern, in der Jürg Suter die Chancen einer europäischen Bahnverbindung durch die Pyrenäen aufzeigt [7].
Ihr findet also genügend Lesestoff für Eure Fahrt in den Süden. Und ich wette, dass Ihr nach der Lektüre unbedingt einen kurzen Aufenthalt in Canfranc einlegen wollt.
Viel Spaß!
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